Musik und Gedenken für 111 jüdische Kinder und Jugendliche
15 Jahre nach Beginn der Arbeit an den Gedenksteinen

Januar 2022: 111 Gedenksteine für jüdische Kinder und Jugendliche sind fertig – Recherche ihrer Lebensgeschichten dauert an

2012 war der erste Name auf einen Gedenkstein graviert worden: Jenö Adler.

Jenö Adler war ein jüdischer Teenager, der mit 19 Jahren aus dem KZ Buchenwald nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort getötet wurde. Das war im Oktober 1944. Zuvor hatte er im Außenlager Tröglitz in den Werken der Braunkohle-Benzin-AG (BraBAG) kräftezehrende Räumarbeiten ausführen müssen. Genau für diese Zwangsarbeit war er nach Buchenwald verschleppt worden.

Jenö und 110 jüdische Kinder und Jugendliche auf der Liste dieses Todestransports im Oktober 1944 waren jünger als 21 Jahre.

Datum der Ermordung, Abfahrt des Todestransports – solche Informationen findet man schnell. Aber ist das das Einzige, was übrigbleibt?

Über Jenö Adler und seine Jugendzeit in der westungarischen Stadt Szombathely nahe der österreichischen Grenze wissen wir einiges. Hanna Markus, die aktuell Bundesfreiwilligendienst in der Gedenkstätte Buchenwald leistet, hat auch etwas über Jenös älteren Brüder Eduárd und Márton sowie seiner Eltern Elvira und Ferencz herausgefunden. Diese ganze Geschichte Jenö Adlers hat sie hier niedergeschrieben: https://www.buchenwaldbahn.de/detail/224

März & April 2022: 111 Gedenksteine für jüdische Kinder und Jugendliche an die Öffentlichkeit übergeben – aber wie?

Über 10 Jahre hatte es gedauert, diese 111 Gedenksteine zu gravieren. Dutzende Schüler:innen, Freiwillige und Engagierte aus aller Welt haben diese Namen am Gedenkweg Buchenwaldbahn verewigt, um die Erinnerung an die Ermordeten zu bewahren. Damit ist ein großer Teil des immerzu wachsenden Denkmals am Gedenkweg Buchenwaldbahn für ermordete Kinder und Jugendliche fertig geworden. Zusammen mit den 200 Gedenksteinen für Sinti und Roma Kinder und Jugendliche, die im September 1944 nach Auschwitz deportiert worden waren, liegen nun also 311 Steine im Wald.

Wie übergibt man ein Denkmal, dass an junge ermordete Menschen erinnert; dass an jüdische Kinder und Jugendliche erinnert, an die Öffentlichkeit? Welche Art von Einweihung oder Übergabe oder Zeremonie oder andächtiger Feier oder… was wird dem gerecht?

Musik. Der Toten, der Ermordeten gedenken; und das Leben heute feiern. Den jüdischen Kindern und Jugendlichen mit von jüdischen Traditionen geprägter Musik – andächtig, voller Leben, ehrvoll und unerschrocken – auch ein musikalisches Denkmal setzen. Dieser Impuls kam von Alan Bern, der seit vielen Jahren das Yiddish Summer Festival in Weimar organisiert.

So entwickelt sich eine Kooperation zwischen der Initiative Gedenkweg Buchenwaldbahn, dem Yiddish Summer Festival und der Gedenkstätte Buchenwald. Am 31. Juli 2022 soll es stattfinden.

Was? 
Ein musikalischer Gedenkgang entlang der ehemaligen Bahnschienen vom Weimarer Hauptbahnhof bis zu den 111 Steinen am Gedenkweg Buchenwaldbahn.

Wie? 
Mit musikalischer Begleitung durch jüdische Musiker:innen des Yiddish Summer, mit Zwischenhalts für musikalische Intervention namenhafter Künstler:innen, mit historischen Informationen über die Geschichte, mit einigen Reden und der Verlesung der 111 Namen – aller Namen. Vielleicht durch Jugendliche?

Veranstaltungsankündigung auf der Website des Yiddish Summer 2022: https://ysw2022.yiddishsummer.eu/de/haupt/events/konzerte/buchenwaldbahn.html

Was denkt ihr, wie viele Menschen werden kommen? 
Wenn es 50 Menschen werden, wäre das toll.

Gleichzeitig feiert die Initiative Buchenwaldbahn 2022 ihr 15jähriges Bestehen. Nach der musikalischen Wanderung soll es auch eine kleine Feier in der Gedenkstätte geben. Wir laden alle Teilnehmer:innen ein.

Ansprache durch Alan Bern, bevor die erste Musik erklingt (Foto: Lisa Rethmeier)

Start Gedenkwanderung am Hauptbahnhof. Christian und Heiko von der Initiative Buchenwaldbahn haben historische Infos und einen Lautsprecher dabei. (Foto: Lisa Rethmeier)

31. Juli 2022 – Zeitweise über 150 Menschen laufen in Erinnerung und Angedenken und lauschen internationaler, jiddischer und Klezmer Musik

Viel mehr Menschen als gedacht treffen sich am Sonntag des 31. Juli um 10 Uhr am Weimarer Hauptbahnhof. Nach einer kurzen Begrüßung durch die Organisator:innen startet ein Quartett mit Musik.

Danach beginnt die der musikalisch begleitete Gedenkgang, auf dem wir den Spuren der einstigen Buchenwaldbahn folgen. Unterwegs gibt es weitere Haltepunkte mit Musik, auch durch internationale Musiker:innen wie Daniel Kahn (The Painted Bird) und historischen Informationen.

Vom Weimarer Hauptbahnhof bis zum Kamm des Ettersberges begleiten uns viele Interessierte, junge und alte Menschen, die bewegt und musikalisch beschwingt miteinander im Gespräch sind.

Sehr spontan hatten sich auch einige Pressevertreter:innen und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow angekündigt. Eine Woche vor unserem Gedenkgang hatte es erneut einen Anschlag auf Gedenkbäume des dem Gedenkweg benachbarten 1000 Buchen Projekt gegeben.

https://www.buchenwald.de/newsroom/Wieder-Anschlag-auf-Weimarer-Gedenkprojekt

Viele wollen mit ihrer Teilnahme ein Zeichen setzen. Auch am Rand unseres Gedenkgangs kommt es nahe des A&O Hostel in Weimar Nord zu vereinzelten Provokationen und rechten Pöbelleien durch Personen aus der Kleingartensiedlung. Wir sind durch Polizeibegleitung abgeschirmt.

Schließlich erreichen wir den Gedenkort mit den 111 Gedenksteinen.

So viele Menschen wie heute waren vermutlich noch nie am Gedenkweg unterwegs. Mit Musik sowie einigen Reden durch die Initiative Gedenkweg Buchenwaldbahn, durch einen Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, durch die Gedenkstättenleitung und der Landesregierung ist der Gedenkgang fast zu Ende.

Nun beginnt die Lesung der 111 Namen der jüdischen Minderjährigen. Die Namen lesen junge Menschen, die zwei Wochen lang ein Sommerlager der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in der Gedenkstätte Buchenwald gestalten. Unter ihnen sind auch Amanda Werner und Hanna Markus, die in den letzten Monaten ihres Bundesfreiwilligendienstes die 111 Lebensgeschichten der jüdischen Kinder und Jugendlichen recherchiert haben.

Sie alle haben den Gedenkweg zuvor beschnitten und geräumt, haben die 111 Steine gereinigt und die Aussprache der Namen geübt. Sie alle lesen die Namen bewusst und andächtig. Ein Gebet und Musik beschließen diesen eindrucksvollen Gedenkgang.

Und danach? – 15 Jahre Initiative Gedenkweg Buchenwaldbahn und über 1500 weitere Gedenksteine zu gravieren

Jetzt steht ein neues Hinweisschild im Wald, dass die Geschichte des Oktobertransportes 1944 erzählt. Daneben liegen die 111 Gedenksteine. So wie alle anderen Steine werden auch sie ab jetzt regelmäßig gepflegt. Die Recherche der Lebensgeschichten dauert an.

Nach der kleinen Feier des 15jährigen Bestehens der Initiative Buchenwaldbahn ruhten wir uns etwas aus. Zwei Tage später ging die Arbeit am Gedenkweg weiter – neue Gedenksteine werden graviert. Es sind noch über 1500 weitere Namen von Kindern und Jugendlichen zu fertigen.

Wir freuen uns sehr, dass so viele Menschen dabei waren und uns immer wieder unterstützen.

Möchten auch Sie unsere Arbeit aus der Ferne unterstützen?

Sie können gern eine Spende auf folgendes Konto überweisen:
Kontoinhaber: Gerberstraße 1 e.V.
Bank: Sparkasse Mittelthüringen
IBAN: DE76 8205 1000 0301 0008 24
BIC: HELADEF1WEM

Verwendungszweck: Gedenkweg Buchenwaldbahn

Die Transport-, Material- und Anfertigungskosten für einen mit Namen gravierten Gedenkstein betragen 150 Euro. Auch die Erhaltung des Gedenkwegs als Wanderweg ist mit Material- und Ausrüstungskosten verbunden.

Gern stellen wir Ihnen nach Eingang der Überweisung eine Spendenquittung aus. Teilen Sie uns hierfür Ihre Post- oder Email-Adresse mit.

Berichterstattung über den 31. Juli 2022

Radio Lotte
Initiative "Gedenkweg Buchenwaldbahn" weiht Gedenksteine ein
https://www.radiolotte.de/weimar/initiative-gedenkweg-buchenwaldbahn-weiht-gedenksteine-ein-38853.html

Deutsche Bahn AG
Buchenwaldbahn: Das Leid der Menschen niemals vergessen
https://www.deutschebahn.com/de/Buchenwaldbahn-Das-Leid-der-Menschen-niemals-vergessen-8533746

Deutschlandfunk
In Weimar wurden weitere 111 Gedenksteine für jugendliche NS-Opfer verlegt
https://www.deutschlandfunkkultur.de/in-weimar-wurden-weitere-111-gedenksteine-fuer-jugendliche-ns-opfer-verlegt-100.html

Thüringer Allgemeine (Bezahlschranke)
Gedenkgang mit Musik bei Buchenwald: Steine, Wege und ein Kaddisch
https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/article236037413/Steine-Wege-und-ein-Kaddisch.html

Antenne Thüringen
Ramelow: Zeichen gegen das Vergessen: 111 Gedenksteine
https://www.antennethueringen.de/p/Ramelow-Zeichen-gegen-das-Vergessen-111-Gedenksteine-7eNMpmMQd06cQU0yPuAVdU